Der gegisste Ort oder Koppelort

Du bist mit Deinem Schiff vom Süden kommend in die Straße von Messina eingebogen. Kurz bevor Du den Hafen von Messina an Backbord Querab hast, stellst Du Deinen Schiffsort durch Peilungen fest und änderst den Kurs auf rechtweisend 350°. (Künftig schreiben wir rw für rechtweisend.)

Du läufst unter Maschine in Marschfahrt. Du weist, dass Dein Schiff sich dann mit einer Geschwindigkeit von 6 kn durch das Wasser bewegt. Der Seekarte entnimmst Du, dass Du nach 2,4 sm auf Kurs auf rw 75° ändern musst.

Und jetzt? Du könntest Dich zum Gespött Deiner Mitsegler machen und im 2-Minuten-Takt neue Peilungen aufnehmen, um neue beobachtete Schiffsorte zu bestimmen.

Oder Du machst Dir das Leben etwas leichter und denkst nach:

Die Geschwindigkeit 6 kn bedeutet, dass Du in der Stunde 6 sm zurücklegst. Oder 1 sm in 10 Minuten. Wenn Du jetzt einfach einen Kursstrich in die Karte einträgst und alle 10 Minuten eine Markierung im Abstand von 1 sm darauf setzt, weißt Du doch, wo Du bist! Oder?

Diese Art der Navigation nennt man Koppeln. Wichtig ist, dass der Steuermann den Kurs gut halten kann und Du Dir sicher bist in Bezug auf die Geschwindigkeit Deines Schiffes. Die Schiffsorte, die auf diese Art und Weise entstehen, nennt man Koppelorte oder gegisste Orte.

In der Karte auf der rechten Seite sind die Schiffsorte eingetragen. Dir ist sicherlich ein Unterschied aufgefallen: Der Schiffsort zum Zeitpunkt des Kurswechsels auf rw 350° wurde als Kreis vermerkt, die Koppelorte als Strich. Es hat sich in vielen Jahren der Navigation als sinnvoll herausgestellt, beobachtete Orte als Kreis, gegisste Orte als Strich einzutragen. Das hat etwas damit zu tun, wie verlässlich der eingetragene Schiffsort wirklich ist!

Gissen ist ein alter nautischer Ausdruck für das Schätzen eines Schiffsortes. Gissen ist aus dem englischen to guess abgeleitet. Natürlich gibt es an Bord eines deutschen Schiffes auch eine Norm, die sich genau damit beschäftigt, wie Du Deinen Ort feststellst und nennst. Seit DIN 13312 aus dem Jahre 1984 sagen wir alle ganz brav nur noch Koppelort und nicht mehr gegisster Ort, gell?

Der Koppelort ist also ein geschätzter Ort. Da der Kurswechsel auf rw 75° bevorsteht, prüfst Du am Besten noch einmal schnell, ob Du wirklich da bist, wo Du glaubst zu sein.

 

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Der Koppelort

ist ein geschätzter Schiffsort.

Er wird auch gegisster Ort genannt. Gissen ist an das englische to guess - schätzen - angelehnt.

 

So geht's:

  1. Du gehst von einem beobachteten Ort aus.
  2. Du trägst den Kursstrich in die Karte ein.
  3. In bestimmten Zeiträumen markierst Du die versegelte Strecke entsprechend Deiner Geschwindigkeit als Querstrich auf dem Kursstrich.

Damit das klappt muss Dein Steuermann gut Kurs halten und darf die Schiffsgeschwindigkeit nicht verändern.

 

In der Seekarte

  • Trägst Du ein Koppelort als Strich ein.
  • Trägst Du einen beobachteten Ort als Kreis ein.
  • Zu den Schiffsorten vermerkst Du immer Uhrzeit und Loggenstand.

 

Versatz durch Wind und Strom

4 Minuten vor dem geplanten Kurswechsel wirst Du unruhig. Du greifst zum Peilfernglas und trägst schnell einen neuen beobachteten Ort in die Seekarte ein. Dabei stellst Du fest, dass Du tatsächlich nicht da bist, wo Du zu sein glaubtest.

Völlig aufgebracht schimpfst Du Deinen Steuermann, er solle gefälligst Kurs halten. Aber der ist sich keiner Schuld bewusst. Und tatsächlich: Ein Blick auf den Steuerkompass zeigt Dir, dass er wie angenagelt seinen vorgegebenen Kompasskurs gesteuert hat. Auch die Maschine läuft unverändert auf Marschfahrt. Was ist also passiert?

Dein Steuermann war nicht der einzige, der Dein Schiff gesteuert hat. Da war noch jemand, genaugenommen: Sie waren sogar zu zweit! Der Wind und der Strom.

Du schaust Dich um und merkst, dass es ja eigentlich ganz schön heftig bläst. Eine handfeste Brise aus NNW. Das war ja auch der Grund, warum Du unter Motor und nicht unter Segel hier durch wolltest. Und dann fällt Dir noch etwas auf: Die Logge sollte doch eigentlich 239625 sm anzeigen, zeigt aber 239624 sm, also 1 sm weniger als erwartet. Ihr wart langsamer! Der Wind hat Euch gebremst und versetzt.

Jetzt verstehst Du die Welt nicht mehr: Dein neuer beobachteter Ort ist doch gar nicht so weit weg von Deinem letzten Koppelort! Der Versatz ist ja nur knapp 0,3 sm nach W. Wenn Du eine 1 sm weniger gefahren sein sollst, müsstest Du doch noch viel weiter von Deinem geplanten Wendeort weg sein, als Du es gerade feststellst.

Hier kommt der zweite Geselle ins Spiel, der Dein Schiff bewegt hat: Der Strom! In der Straße von Messina steht ein recht kräftiger Gezeitenstrom. Du hast den Zeitpunkt für die Durchfahrt ja extra so gewählt, dass der Gezeitenstrom mit ca. 1 kn von Süd nach Nord setzt.

Der Wind hat Dich also gebremst und der Strom hat Dich angeschoben. Das folgende Stromdreieck zeigt ganz anschaulich, was passiert ist:

Dein Steuermann hat festgenagelt seinen Kompasskurs gesteuert. Damit hat er das Schiff auf dem rechtweisenden Kurs rwK durch die Meerenge gesteuert.

Der Wind auf die Nase hat Euch aber gebremst. Der Kurs durch das Wasser KdW lag Steuerbord von Eurem rwK und die Fahrt durch das Wasser war langsamer als die von Dir angenommene Fahrt. Deshalb zeigt auch die Logge 1 sm weniger an. RwK und Wind addieren sich zum KdW

KdW = rwK + Wind

In der Zeichnung ist das durch das orangefarbene Dreieck dargestellt..

Und mit dem Strom verhält sich das ganz genauso: Zu Kurs und Fahrt durch das Wasser wird der Strom hinzuaddiert und es ergibt sich der Kurs über Grund KüG und die Fahrt über Grund:

KüG = KdW + Strom

Ein weiteres Dreieck ist in der Zeichnung entstanden und jetzt ist auch klar, was passiert ist.

Übrigens: Bei dieser Fahrt hattest Du es mit einem Nordwind und einem Nordstrom zu tun! Die Namensgebung ist bei Wind und Strom genau entgegengesetzt. Am Besten Du merkst Dir die Regel:

Wind voher er kommt
Strom vohin er geht

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Kurz und knapp

Wind und Strom beeinflussen Deine Fahrt durch das Wasser und Deinen Kurs durch das Wasser.

 

Graphische Berechnung

  1. Zeichne Deinen rwK als Pfeil auf einem weißen Blatt. Die Richtung des Pfeils entspricht Deinem Kurs und die Länge Deiner Geschwindigkeit. Norden (0°, 360°) ist auf Deinem Blatt ganz oben.
  2. An der Spitze des Pfeils trägst Du einen weiteren Pfeil für den Wind ein. Wieder Kurs und Windstärke beachten.
  3. Der Kurs durch das Wasser KdW entspricht dem daraus resultierenden Pfeil von Deinem Ausgangspunkt zur Spitze des Windpfeiles.
  4. Mit dem Strom machst Du es ganz genauso. Fang aber beim KdW an, nicht beim rwK!

 

Entgegengesetzt

Wind woher er kommt, Strom wohin er setzt

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